Position des ZDB
Planungsbeschleunigung
Wir setzen uns für neue Maßstäbe beim Planen, Handeln und Entscheiden ein, um Infrastrukturprojekte schneller und effizienter planen und bauen zu können!
Planen und Bauen beschleunigen = Wirtschaft und Wohlstand sichern!
Deutschland ist Export- und Logistikweltmeister, ein weltweit führender Wirtschaftsstandort und zentrale Verkehrsdrehscheibe Europas. Diese Spitzenposition und Marktstellung müssen wir halten. Die Wirtschaft ist auf eine möglichst reibungslose Logistik angewiesen. Dafür benötigte Infrastruktur in Deutschland kostet indes Zeit. Zu viel Zeit!
Deutschland braucht eine funktionierende Verkehrsinfrastruktur mit modernen und gut ausgebauten Verkehrswegen. Leistungsfähige Infrastrukturen sind eine wesentliche Voraussetzung, um Wettbewerbsfähigkeit und Wachstumspotenziale zu schaffen.
Investitionshemmnis Planungsrecht
Das heutige Planungsrecht mit seinen komplexen Genehmigungsverfahren hat sich zu einem Modernisierungs-, Investitions- und Innovationshemmnis entwickelt. Über Jahrzehnte hinweg haben u. a. immer höhere Umweltauflagen zu einem überbordenden Planungsrecht geführt. So hat sich das Bauen gerade dadurch immer mehr verlangsamt und verteuert. Planungs- und Genehmigungsverfahren für Bauvorhaben in Deutschland ziehen sich oft über Jahre hin. Häufig dauert es von der Planung bis zum Baubeginn sogar Jahrzehnte. In der Folge hat sich der Substanzverlust der Verkehrsinfrastruktur dramatisch verschärft.
Notwendigkeit der Planungsbeschleunigung
Deutschland braucht mehr denn je ein zeitgemäßes und effizientes Planungs- und Genehmigungsrecht. Die Planung muss wesentlich schneller gehen. Die Finanzmittel stehen bereit und sind vor allem bei der Schiene bis Ende der Zwanzigerjahre gesichert. Wir müssen jetzt in Deutschland neue Maßstäbe beim Planen setzen, um Wirtschaft und Wohlstand in Deutschland nachhaltig zu sichern.Während in der Vergangenheit noch häufig Baurecht vorlag und es an den finanziellen Mitteln mangelte, verhält es sich heute genau umgekehrt. Im Rahmen des Investitionshochlaufs konnten die Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur im Jahr 2019 auf einen Wert von 14,6 Mrd. € angehoben werden. Mit dem Haushalt 2020 und der Finanzplanung bis 2023 wurden die Investitionsmittel weiter signifikant aufgestockt.
Agenda Planungsbeschleunigung 2020
Mit dem Ende Januar 2020 beschlossenen Gesetz „zur Vorbereitung der Schaffung von Baurecht durch Maßnahmengesetz im Verkehrsbereich“ (Planungsbe-schleunigungsgesetz II) sowie dem Gesetz „zur weiteren Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren im Verkehrsbereich“ (Planungsbeschleunigungs-gesetz III) wurde zwei weitere richtige und wichtige Planungsbeschleunigungsgesetze auf den Weg gebracht.
Trotzdem brauchen wir zeitnah ein Planungsbeschleunigungsgesetz IV, um mit mutigen und umfassenden Maßnahmen der Planungsbeschleunigung endlich zum Durchbruch zu verhelfen. Notwendig sind darin konkrete Maßnahmen in den vier folgenden Themenfeldern:
1. (Wieder)Einführung der materiellen Präklusion
Nach derzeitiger Rechtslage können und werden Bedenken im Hinblick auf die Umweltverträglichkeit von Infrastrukturprojekten im gerichtlichen Verfahren weiter auch dann vorgetragen, wenn sie im behördlichen Verfahren nicht vorgebracht worden sind. Maßgebliche Einwendungen werden so gezielt im Sinne einer Verzögerungstaktik oft erst während des Gerichtsverfahrens erhoben. Dadurch werden Gerichtsverfahren regelmäßig deutlich verzögert. Die (Wieder)Einführung einer unionsrechtskonformen Präklusionsklausel verhindert langwierige Planfeststellungsverfahren.
2. Frühzeitige Einbindung von Bürgerinteressen
Die aktuelle Form der Bürgerbeteiligung wird von vielen Betroffenen als unzureichend angesehen, da sie den Bürgern keine ausreichenden Beteiligungsmöglichkeiten er- öffnet und im Planungsprozess oft erst sehr spät stattfindet. Wir brauchen eine frühzeitige und echte Bürgerbeteiligung, um eine neue Akzeptanzkultur für Infrastruktur in Deutschland zu etablieren.
3. Verkürzung der Abläufe im Planungs- und Genehmigungsrecht
Die aktuellen Verfahren sind wenig effektiv, bürokratisch und analog. Die Erstellung und Übermittlung von Planungsunterlagen in Papierform kosten unnötig Zeit und Geld. Es gilt die Vorteile der Digitalisierung in den Verwaltungs- und Gerichtsstrukturen auszunutzen.
4. Schaffung von ausreichend Planungspersonal in den Behörden
Eine bessere Ausstattung der zuständigen Ämter und Behörden trägt wesentlich zur Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren bei.
Konkrete Forderungen zur Planungsbeschleunigung
Zur Umsetzung sehen wir konkrete Maßnahmen in den nachfolgenden Bereichen als erforderlich und zielführend an:
1. Einführung der materiellen Präklusion
Nachdem eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshof (EuGH) im Oktober 2015 das Ende der materiellen Präklusionsvorschriften im deutschen Verwaltungsrecht zur Folge hatte, kam es in den letzten Jahren zu weiteren erheblichen Verzögerungen bei Großvorhaben im Infrastrukturbereich.
Unter der materiellen Präklusion ist der Ausschluss eines Verfahrensbeteiligten mit seinem Vorbringen im gerichtlichen Verfahren zu verstehen, wenn der Betroffene seine Rechte nicht schon im Verwaltungsverfahren geltend gemacht hat.
Maßgebliche Einwendungen werden seitdem im Sinne einer Verzögerungstaktik erst peu à peu während des Gerichtsverfahrens erhoben. Dadurch werden Gerichtsverfahren deutlich verzögert. Die (Wieder)Einführung der materiellen Präklusion ist als geeignetes Gegenmittel zielführend, um taktische Verzögerungen effektiv zu verhindern.
Sobald das zurzeit vor dem EuGH anhängige Verfahren zu Präklusionsregelungen in den Niederlanden beschieden worden ist, muss die Bundesregierung zeitnah ein Planungsbeschleunigungsgesetz IV mit dem zentralen Baustein einer EU-rechtskonform ausgestalteten Präklusionsvorschrift auf den Weg bringen.
2. Bedingtes Verbandsklagerecht und Abwägungskultur
Umweltverbände sollen nur unter der Bedingung klagen dürfen, dass ihre Belange direkt betroffen sind oder eine ordnungsgemäße Beteiligung der Umweltverbände im Genehmigungsverfahren nicht gegeben war. Ohne hinreichende Bedingung wird das Verbandsklagerecht ansonsten weiter pauschal für die Blockade von Infrastrukturprojekten missbraucht.
Die Einführung des umfassenden Verbandsklagerecht hat zu erheblichen Verzögerungen von Gerichtsverfahren geführt. Danach dürfen Umweltverbände in Gerichtsverfahren nicht nur Umweltbelange, sondern sämtliche Belange im Planfeststellungsverfahren geltend machen.
Klagen von Umweltverbänden sollten sich auf umweltbezogene Rechtsvorschriften beschränken und nicht mehr auf Basis von wirtschaftlichen Bedenken erfolgen können.
3. Einführung einer gesetzlichen Stichtagsregelung
Derzeit müssen Planungen gemäß den neuesten fachlichen Erkenntnissen und Gesetzen während des laufenden Genehmigungsverfahrens angepasst werden. Dadurch kommt es während des Planungsverfahrens häufig zu Verzögerungen und langwierigen Überarbeitungen, weil sich technische oder verkehrliche Rahmenbedingungen ändern.
Eine gesetzliche Stichtagsregelung würde es ermöglichen, dass Änderungen nach einem bestimmten Stichtag nicht mehr berücksichtigt werden müssen. Klare Stichtagsregelungen können der mehrfachen Durchführung von umweltrechtlichen Untersuchungen und anschließenden Änderungen der Planunterlagen vorbeugen. Dies würde Rechtssicherheit schaffen und damit die Planbarkeit von Infrastrukturprojekten verbessern sowie die Zeit vom Planungsbeginn bis zum Bau verkürzen.
4. Umsetzung der Vorschläge des Normenkontrollrats zur Beschleunigung des Verwaltungsrechtswegs
Das Gutachten des Normenkontrollrates vom April 2019 enthält insgesamt zehn Kernbotschaften zur Beschleunigung verwaltungsgerichtlicher Verfahren, deren Umsetzung wir fordern. Dazu gehören u. a. folgende Vorschläge:
- Laufende Bauvorhaben sollen künftig einstweilen fortgeführt werden, solange mit dem Vorhaben reversible und reparable Maßnahmen verbunden sind.
- Durch die Einführung eines verpflichtenden frühen ersten Erörterungstermins vor Gericht lässt sich der langwierige Schriftsatzaustausch vermeiden und es kann dadurch schneller in die Rechtsfragenklärung eingetreten werden.
- Fachgutachter oder zusätzliche wissenschaftliche Mitarbeiter können die Gerichte durch Zuarbeiten entlasten.
- Die konsequente Nutzung der Digitalisierung aller Papierakten und Gutachten sowie die Vorlage von Urkunden in elektronischer Form im verwaltungsgerichtlichen Verfahren: Der zeitraubende Aktenaustausch würde so ein Ende finden und damit schließlich das zeitgleiche Lesen der digital durchsuchbaren E-Akten das gerichtliche Verfahren wesentlich beschleunigen.
- Ermöglichung einer gerichtlichen Feststellung auf Heilung einzelner Fehler bei Klagen von Umweltverbänden: Die verbandspolitische Akzeptanz würde so durch die Anerkennung gelungener Fehlerheilungen erhöht werden. Damit sind aufgrund von Klagerücknahmen bzw. Erledigungserklärungen zeitliche Verfahrensbe schleunigungen möglich.
Die vorgenannten Vorschläge machen deutlich, dass auch noch hinreichend Beschleunigungspotenzial in nationalen verwaltungsgerichtlichen Verfahren beim Aus- und Neubau von Verkehrsinfrastruktur steckt.
5. Verstärkung der Planungskapazitäten
Um für einen zügigen Ausbau von Verkehrsinfrastruktur zu sorgen, ist die personelle und materielle Ausstattung der Planungs- und Genehmigungsbehörden von entscheidender Bedeutung. Durch eine verbesserte Ausstattung der Behörden mit Personal können in allen Planungsphasen erhebliche Beschleunigungspotentiale gehoben werden.
6. Etablierung einer echten Beteiligungskultur
Wir plädieren für eine frühzeitige, umfassende und verpflichtende Beteiligung der betroffenen Bürgerinnen und Bürger. Vorhabenträger sowie Anhörungs- und Planfeststellungsbehörden sollten daher eine professionelle Verfahrenskommunikation in sämtlichen Beteiligungsverfahren sicherstellen und digitale Möglichkeiten der Beteiligung einsetzen.
So könnten digitale Visualisierungen von Projekten, webbasierte Sharepoints und Online-Foren mit automatisierten Änderungs- und Fortschrittsbenachrichtigungen eine zeitgemäße Teilhabe ermöglichen und ihren Teil zu einem besseren Verständnis bei Bürgern leisten.
Ziel muss es sein, gemeinsam und transparent eine kon-sensorientierte Lösung zu finden. Dafür muss den Ämtern ein standardisiertes Verfahren der Bürgerbeteiligung zur Verfügung gestellt werden, um einen professionellen Umgang mit Einwendungen sicherzustellen.
7. Ausweitung von Plangenehmigung statt Planfeststellung
Nach der Ermöglichung der Plangenehmigung für Ersatzneubauten müssen auch weitere Bereiche der Infrastrukturmaßnahmen vom zeitraubenden Planfeststellungsverfahren freigestellt werden. So sollten beispielsweise die Elektrifizierung der Schienenwege mit Fahrdraht, der Weichenaustausch sowie die Schaffung von Begegnungsgleisen bei der Bahn im vereinfachten Genehmigungsverfahren ermöglicht werden.
8. Anpassung der EU-Vorgaben
Der Schutz von Flora und Fauna ist von hoher Bedeutung. Gleichwohl darf der Naturschutz nicht als taktisches Instrument zum Zweck der Verhinderung von Baumaßnahmen zum Einsatz kommen. Grundsätzlich sollten zukünftig bei der Verabschiedung von Umwelt- und Naturschutzregelungen auf europäischer Ebene stärker die möglichen Auswirkungen auf Belange von Mobilität und Logistik berücksichtigt werden.
Bewusstsein für Infrastruktur
Angesichts der für die kommenden zehn Jahren festgeschriebenen und zu verbauenden Milliardenbeträge benötigen wir mutige Ansätze, um die „blockierte Republik“ (aus: DER SPIEGEL vom 07.03.2020) wieder dorthin zu befördern, wo sie hingehört: auf die Überholspur!
Ganz entscheidend hierfür ist die Akzeptanz für notwendige Investitionen in eine leistungsfähige und moderne Infrastruktur. Eine hohe Akzeptanz hat per se eine weitreichende Beschleunigungswirkung zur Folge. Wir müssen den Verkehr und das Klima zusammenbringen und dabei in einen fairen Gleichklang bringen. Ziel muss es sein, die Mobilität in bestmöglichen Einklang mit dem
Fazit
Bauen einfach machen!
Wir fordern ein klares Bekenntnis zur Infrastruktur. Die Investitionsmittel stehen bereit. Es gilt jetzt, ein neues Bewusstsein und breite Mehrheiten in der Bevölkerung für den Ausbau unserer Verkehrsinfrastruktur zu schaffen. Wir dürfen schließlich nicht vergessen, dass wirtschaftlicher Wohlstand keine Selbstverständlichkeit ist!