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Position des ZDB

Bauwirtschaft 4.0

Der Baumittelstand auf dem Weg in die digitale Zukunft

Es ist der Megatrend des 21. Jahrhunderts: die Digitalisierung. Ein umfassender Transformationsprozess, der alle Wirtschafts- und Gesellschaftsbereiche erfasst. Der digitale Wandel verändert unsere Art zu leben, zu arbeiten und zu lernen fundamental und mit rasanter Geschwindigkeit. Dieser Wandel aber bringt ein enormes Potenzial mit sich, um die Lebensqualität zu erhöhen und den wirtschaftlichen Wohlstand zu sichern.

Auch die Baubranche steht vor tiefgreifenden Veränderungen. Der technologische Fortschritt eröffnet eine Vielzahl von Chancen, die sich für den Alltag auf der Baustelle wie auch für die Steuerung des Unternehmens ergeben. Digitalisierung heißt, dass Prozesse in der Bauausführung effizienter und einfacher gestaltet werden können, dass neue Kompetenzen in der Aus- und Weiterbildung gefordert sind und dass sich die Kommunikation und die Infrastruktur zur Organisation von Geschäftsprozessen verändert.

Dabei gilt: Digitalisierung ist kein Selbstzweck. Digitalisieren, nur weil es hip ist, wird nicht von Erfolg gekrönt sein.

Denn das Digitalisieren von betrieblichen Prozessen bedarf eines systematischen Vorgehens, das Unternehmen benötigt also eine Digitalisierungsstrategie.

Die Digitalisierung ist mit z.T. höheren Investitionen verbunden, die Zeit und Geld kosten.

Kurzum: Der Einsatz digitaler Tools muss mittelfristig entweder zu Kosteneinsparungen führen oder den Nutzen für den Kunden erhöhen und damit zusätzliche Erlöse generieren. Um den Erfolg sicherzustellen, müssen dem Unternehmer die (juristischen und politischen) Rahmenbedingungen bekannt sein. Dass die Tools benutzerfreundlich sein müssen, versteht sich von selbst. Angesichts der enormen Bau-Herausforderungen, vor denen Deutschland steht, bietet die Digitalisierung zudem Potenziale für Produktivitätszuwächse und damit für eine Steigerung der Bauleistung insgesamt.

Und genau danach richtet sich das Baugewerbe, wenn es in die Digitalisierung investiert:

1. Stufe der Digitalisierung:

Fast alle Bauunternehmen nutzen intensiv Software für Kalkulation, für Ausführungsplanung und für die Abrechnung im Büro – aber auch auf der Baustelle über Tablets oder Smartphones. Apps erleichtern das Bestellen von Material oder geben Tipps für die Montage. Eine Fotodokumentation verbessert die Kommunikation mit dem Kunden und gibt Rechtssicherheit. Mobile Zeiterfassung auf der Baustelle erspart eine Menge Zeit für Lohnbuchhaltung und Controlling. Eine aussagekräftige Homepage informiert Kunden auch außerhalb der Region über das betriebliche Leistungsspektrum.

Solche Anwendungen wurden aber auch schon vor 10 Jahren eingesetzt. Es sind Einzelanwendungen, für die eine Menge Schnittstellen erstellt werden müssen, um Daten aus einer Anwendung in eine andere zu übertragen.

2. Stufe der Digitalisierung

Unternehmen, die schon früh in Bau-IT investiert haben, sind inzwischen dabei, ein Dokumentenmanagementsystem zu installieren und digitale Bauakten einzurichten. Die verschiedenen Mitarbeiter eines Projekts kommunizieren in Chatrooms oder Projekträumen, das Gerätemanagement und die Personaleinsatzplanung werden durch Software unterstützt. Idealerweise geschieht dieses alles unter dem Dach einer ERP-Software, denn das Problem mit den Schnittstellen ist inzwischen nicht kleiner geworden.

Für zeitgemäße Fachkräftegewinnung nutzen diese Unternehmen – neben klassischen Instrumenten – auch Internetplattformen und Social Media, meist Facebook oder XING. Die meisten dieser Instrumente sind IT-Anwendungen, die die Abläufe innerhalb des Unternehmens effizienter machen.

3. Stufe der Digitalisierung

Dagegen stehen „Kollaboration“ oder „plattformbasiertes Arbeiten“ zwischen verschiedenen Unternehmen, wie es z.B. für Building Information Modeling (BIM) erforderlich ist, eher selten auf der Tagesordnung. Warum? Weil es zu wenige Projektpartner gibt, die zusammenarbeiten können oder wollen, weil die Bauherren nach wie vor BIM selten nachfragen, weil bauausführende Firmen noch immer 2D-Pläne vom Planer bekommen statt eines 3D-Modells, und weil – wenn doch mal alle Projektpartner zusammen am Modell arbeiten wollen – Schnittstellenprobleme die Zusammenarbeit zumindest kompliziert machen. Diese Probleme sind technisch lösbar, was aber einiges an Kompetenz erfordert. Der einfachste Weg ist noch immer, wenn alle Projektpartner dieselbe Software nutzen. Nur ist das langfristig kein gangbarer Weg.

Forderungen des Deutschen Baugewerbes: Was brauchen Unternehmen, um sich verstärkt den Herausforderungen der Digitalisierung zu stellen?

Für eine breitere Implementierung digitaler Anwendungen in den Unternehmen benötigen die Bauunternehmen:

1. Infrastruktur

Man kann es nicht oft genug betonen, aber Grundlage jeglicher Digitalisierung ist ein bundesweit lückenloses, leistungsfähiges Breitbandnetz! Denn die meisten digitalen Tools und Applikationen sind völlig sinnlos, wenn die Baustelle im Funkloch liegt.

2. Unternehmen

Im Unternehmen muss ein breites Interesse bei allen Projektbeteiligten vorhanden sein. Argumente wie „um die Digitalisierung kümmere ich mich, wenn ich weniger zu tun habe“ oder „das macht dann mein Nachfolger“ verstellen den Blick auf einen Zug, der immer schneller in Richtung Zukunft fährt und dabei einige Unternehmen weit hinter sich lässt. Die Entwicklung der IKT-Technologien ist kein linearer Prozess - sie nimmt seit 20 Jahren von Jahr zu Jahr mehr Fahrt auf!

Je mehr Bauunternehmen „digital“ kompetent sind, desto mehr Nutzen bringen digitale Anwendungen auch für jeden ihrer Projektpartner. Denn dann werden die Effizienzvorteile solcher Tools nicht durch Medienbrüche bei den ewig Gestrigen geschmälert.

3. Bauherrenkompetenz

Um mit der Digitalisierung voranzukommen, müssen auch Vergabestellen und Behörden mit ausreichend Personal besetzt sein. Der Fortbildungsbedarf ist dort grundsätzlich derselbe wie bei den Unternehmen; Bau-Kompetenz und IT-Kompetenz ist auf beiden Seiten unabdingbar. Um kurze Wege zu gewährleisten, sollten die Kompetenzzentren ihr Wissen in alle Regionen tragen.

Wir brauchen bundesweit einheitliche Richtlinien, Standards und Musterverträge für die öffentlichen Auftraggeber, damit sich die Unternehmen auf die digitalen Anforderungen einstellen können und sich die Investitionskosten in IT und Qualifikation auch amortisieren können. Für ein Bauunternehmen sollten sich Abläufe und Technologie nicht ändern müssen, je nachdem, ob es mit BIM eine Schule für Kommune A oder für Kommune B baut.

Das gilt auch für die E-Vergabe: Es kann nicht sein, dass ein Unternehmen auf verschiedensten Plattformen unterwegs sein muss, wenn es für Bund, Länder und Kommunen bauen möchte.

Nach wie vor gibt es nur wenige Bauherren, die ihre Bauwerke mit BIM ausschreiben. Das der BIM-Methode zugrundeliegende Prin­zip „erst planen, dann bauen“ ermöglicht es, dass komplett geplante, virtuell getestete und damit weitgehend fehlerfreie Bauwerksmodelle zur Aus­führung kommen. Das kostet im Vorfeld – bei der Planung – etwas mehr Zeit. Dafür wird man hinterher schneller, kostengünstiger und mit hoher Qualität bauen können.

In der Normung brauchen wir auch Vertreter des öffentlichen Bauwesens, um die Besetzung der Normungsgremien zu verstärken und deutsche Positionen auf europäischer und internationaler Ebene durchsetzen zu können. Die Unternehmer allein sind mit der Gremienarbeit zeitlich und finanziell überfordert.

4. Schnittstellen

Wir brauchen standardisierte Schnittstellen. Und das gilt nicht nur für die Zusammenarbeit der verschiedenen Projektbeteiligten in einem BIM-Projekt, die Modelldaten zwischen Architektensoftware, TGA-Planungssoftware und Bausoftware austauschen wollen.

Schon der Transfer von Mitarbeiterdaten aus einer (alten) Lohnbuchhaltungssoftware in das neue ERP-System treibt manchem IT-Verantwortlichen Schweißperlen auf die Stirn. Letztendlich wird dann der Softwareanbieter mit dieser Serviceleistung beauftragt, wodurch die Investition in das neue System schnell ein paar Tausend Euro teurer wird.

Wünschenswert wäre es zudem, wenn die verschiedenen vom jeweiligen Hersteller versprochenen Softwareeigenschaften von unabhängigen Institutionen zertifiziert wären.

5. Politische Flankierung

Auch bei zunehmender Nutzung von IT-Anwendungen und BIM muss die bewährte Trennung von Planen und Bauen beibehalten werden. Sie stellt kein Hindernis bei der Digitalisierung der Wertschöpfungskette dar, schützt aber den Wettbewerb. Ebenso fördert es den Wettbewerb, dass in Deutschland grundsätzlich herstellerneutral ausgeschrieben wird.

Wir brauchen Rechtsicherheit, wer was mit den Daten tun darf und wer wofür haftet: Wem gehören die Bauwerksdaten? dem Bauherrn? demjenigen, der die Daten erhoben hat, oder dem Hersteller der Software, mit der sie erstellt wurden? Wie lange haftet ein Unternehmer für die Richtigkeit der von ihm zur Verfügung gestellten Daten, wenn diese von anderen weiterbearbeitet werden? Wo wollen wir die Grenze setzen zwischen der notwendigen Verfügbarkeit von Daten bei kollaborativer Zusammenarbeit auf der einen Seite und Schutz von Urheberrechten auf der anderen Seite?

Wichtig wären Fördermittel für kleine Unternehmen in Form von Zuschüssen zu den unmittelbaren Kosten der IT-Einführung (Hardware, Software, Schulungen). Lediglich günstige Finanzierungsbedingungen anzubieten, wie es die KfW tut, stellt aktuell keinen ausreichenden Anreiz für Unternehmen dar. Die Zuschüsse müssen bundesweit zur Verfügung stehen, nicht nur in einzelnen Bundesländern.

6. Fachkräfte

Wir brauchen Fachkräfte und Know How: Das Know How ist grundsätzlich da, es muss nur noch „an den Mann gebracht werden“ - oder an die Frau. Und gerade an denen fehlt es, an den Fachkräften, die dem Baugewerbe zur Verfügung stehen.

Wer sich gut ausgebildete und teure Fachkräfte nicht am Markt einkaufen kann oder will, muss selbst ausbilden. Damit das gelingt, müssen schon Schulabgänger über digitales Grundlagenwissen verfügen - und das erschöpft sich nicht in einer breiten Kenntnis über angesagte Games. An dieser Stelle muss an den Schulen ein Umdenken stattfinden: Informatik und PC-Kenntnisse sind genauso wichtig wie „Schillers Glocke“ und sollten nicht einfach abgewählt werden können.

Diese schulischen Grundlagen müssen in der Ausbildung, und zwar auch für den Maurer, Fliesenleger oder Zimmerer verbreitert werden; sie sind für die Zukunft dieser jungen Menschen genauso wichtig wie Lesen, Schreiben und Rechnen. Dazu kommen gewerkespezifische Informationen über den aktuellen Stand der Digitalisierung und nützliche Anwendungen. Tatsächliche Anwenderkenntnisse können nur durch „learning on the job“ erworben werden. Auch in die Meisterkurse müssen digitale Themen Eingang finden. Der angehende Unternehmer muss wissen, welche Möglichkeiten es in seinem Gewerk gibt und wie er Digitalisierungsprojekte mit seinen Mitarbeitern umsetzt.

Was die Universitäten angeht, so ist es auch dort nicht selbstverständlich, dass Kenntnisse in Bau-IT verpflichtend zum Lernstoff gehören: Es gibt bei den Universitäten digitale Vorreiter, deren Absolventen von der Branche förmlich aufgesogen werden. Und es gibt Universitäten, an denen kann man das ein oder andere „digital angehauchte“ Modul wählen, wenn man möchte – man kommt aber auch ohne IT-Kenntnisse durchs Studium. Wie an den Schulen konkurrieren auch an den Universitäten IT-Module einerseits mit traditionellen Fächern andererseits um die knappen Ressourcen.

Dass duale Studenten eine gelungene Symbiose verkörpern zwischen aktuellem und forschungsnahem Wissen einerseits und praktischer und betrieblicher Erfahrung andererseits, wissen die meisten Unternehmen.

Interessanterweise beißt sich an dieser Stelle, nämlich bei der Beschaffung von gut qualifiziertem Personal, sozusagen „die Katze in den Schwanz“: Selbstverständlich konkurrieren alle Unternehmen um diese rare Spezies junger, intelligenter und interessierter Menschen, die einen Ausbildungsplatz oder dualen Studienplatz suchen. Eigentlich muss der Unternehmer also zuerst seinen Betrieb modern, digital und attraktiv aufstellen, um dann das entsprechende Personal dafür gewinnen zu können.

Bleibt die Frage nach dem Know How, das zwar verfügbar ist, aber an den Mann/die Frau gebracht werden muss.

Fazit

Die Bauwirtschaft hat sich schon vor geraumer Zeit auf ihren Weg in eine digitale Zukunft gemacht und ist – um im Bild zu bleiben – gut unterwegs. Aber: Nicht jedes Unternehmen ist gleich weit gekommen und: Der Weg ist noch nicht zu ende.

BIM ist kein Allheilmittel, obwohl es gerne als solches gesehen wird. Es ist auch nicht die einzige Digitalisierungsstrategie. Aber wenn BIM funktioniert, wenn die Schnittstellen anbieteroffen definiert sind und auch funktionieren, kann BIM wesentlich zur Digitalisierung der Bauwirtschaft beitragen.

Die Digitalisierung der Bauwirtschaft betrifft am Ende nicht nur Geschäftsprozesse, Planung und Bauausführung, sondern auch Baustoffe und Bauteile. Zu den Eigenschaften von Baustoffen und Bauteilen werden Vernetzbarkeit und Kommunikationsfähigkeit zählen. Von Unternehmern wird zukünftig erwartet, dass sie ihre Kunden, die Bauherren entsprechend beraten können.

Am Ende des Digitalisierungsprozesses, wenn es ein solches tatsächlich geben sollte, wird die Bauwirtschaft eine andere sein als heute und vor allem wird sie den Produktivitätsfortschritt erzielt haben, den andere Branchen schon heute haben.

Publikation zum Thema

Bauwirtschaft 4.0.

Der Baumittelstand auf dem Weg in die digitale Zukunft.

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Digitalisierung

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