Pressemeldung
Potenziale zur Bewältigung der Bau-Aufgaben im Land nutzen
• Kapazitätsaufbau der Bauunternehmen langfristig unterstützen
• Reformkommission „Nachhaltiges Bauen“ einsetzen
• Vergabeverfahren mittelstandsgerecht ausgestalten
„Die mittelständische Bauwirtschaft bleibt als starke inländische Branche der Partner bei der Bewältigung der Zukunftsaufgaben im Land: Ob die klimagerechte Sanierung des Gebäudebestands, die Umsetzung der Verkehrswende durch die Stärkung der Infrastruktur oder die Schaffung von mehr bezahlbarem Wohnraum. Auf die Bauwirtschaft kommt es an.“ Dies erklärte der Präsident des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe, Reinhard Quast, anlässlich des Deutschen Baugewerbetages. Das Spitzentreffen der Baubranche findet heute in Berlin als Hybridevent statt.
Quast machte weiter auf die Kapazitätsentwicklung am Bau aufmerksam: „Unsere Unternehmen bauen kontinuierlich mehr Personalkapazitäten auf und investieren in Maschinen und Geräte. Es braucht jetzt die zielgerichteten Rahmenbedingungen, um den Kapazitätsaufbau mittel- bis langfristig weiter zu stützen. Damit kann die Bauwirtschaft auch zukünftig ein starkes Zugpferd der Konjunktur sein.“
Der Präsident des größten Branchenverbandes der Bauwirtschaft rief Politik und Verwaltung dazu auf, die Weichen für eine zukunftsgeleitete Baupolitik zu stellen und so das ganze Potenzial der mittelständischen Bauunternehmen zu nutzen: „Wir brauchen Entschlossenheit bei der Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren, eine breite Anwendung mittelstandsgerechter Vergabeverfahren bei der öffentlichen Hand und klare Leitplanken zur Weiterentwicklung der Digitalisierung am Bau, gerade für Handwerksbetriebe und Mittelständler. Das sind die Voraussetzungen, damit in Deutschland schneller und effektiver gebaut werden kann.“
Umfrage: Geschäftslage gut – Aussichten unsicher
Quast greift damit die Ergebnisse der neuesten ZDB-Konjunkturumfrage auf. In der Unternehmensbefragung des Verbandes zeigt sich ein ambivalentes Bild zur Bewertung der Baukonjunktur. Ihre derzeitige Geschäftslage beurteilen die Unternehmen insgesamt positiv. So melden 47 % der Unternehmen insgesamt eine gute Geschäftslage und nur 16 % eine schlechte Lage. Gut ein Drittel der Unternehmen bewertet die Lage mit "befriedigend".
Die Geschäftserwartungen hingegen fallen gegenüber der Lagebeurteilung ab, so wird die Auftragslage von über der Hälfte der im Wohnungsbau und Ausbau tätigen Unternehmen mit gut bewertet. Zum Wirtschaftsbau melden das nur knapp ein Drittel, zum öffentlichen Bau ein Viertel der Unternehmen.
Die Befragung zeigt zudem, dass der Kapazitätsaufbau der Betriebe fortschreitet. Auch im kommenden Jahr wollen deutlich mehr Unternehmen Beschäftigte neu einstellen (31 %), als die Zahl der Beschäftigten zu reduzieren (6 %). Auch die Ausbildungsbereitschaft steigt, demnach will ein Drittel der Unternehmen im kommenden Jahr die Zahl seiner Auszubildenden erhöhen.
Materialpreise dämpfen Baukonjunktur
Die Erwartungen für das neue Geschäftsjahr werden zudem durch die Preisentwicklung bei zahlreichen Baumaterialien gedämpft. Denn es ist weiter mit deutlich höheren Einkaufspreisen wie auch einer anhaltenden Knappheit bei einigen Baumaterialien zu rechnen. So liegen unter anderem die Erzeugerpreisindizes für Bauholz immer noch mehr als doppelt so hoch wie zum Vorjahreszeitpunkt. Bei Kunststoffprodukten, wie Rohren und Dämmstoffen, liegen die Preise um 30 % bis 40 % über Vorjahresniveau, bei Stahl sind es gut 80 %.
Dieses im Frühjahr 2021 aufgrund der Corona-Pandemie eskalierte Problem eines Ungleichgewichtes von Nachfrage und Angebot an Baumaterialien hat sich bisher nicht aufgelöst. Weltweit heruntergefahrene Produktionskapazitäten und Logistikengpässe verhindern immer noch, Auftragsbestände zügiger abzubauen.
Infolgedessen steigen auch die Baupreise. Nach den Daten des Statistischen Bundesamts haben per August die Preise für Bauleistungen gegenüber dem Vorjahr um 5,2 % zugelegt.
Förderkulisse zur Gebäudesanierung nachschärfen
Im Rahmen des Baugewerbetages sprach sich ZDB-Präsident Quast zudem dafür aus, nachhaltiges Bauen durch die entsprechenden Rahmenbedingungen und eine angepasste Förderkulisse zu stärken. „Die Erreichung der Klimaschutzziele im Gebäudesektor ist eine große Herausforderung, der sich die Unternehmen aus dem Baugewerbe selbstbewusst stellen. Gleichzeitig muss bezahlbares Bauen und Wohnen mit der Klimawende im Gebäudebereich in Einklang gebracht werden. Hier muss die zukünftige Bundesregierung noch einmal an die Förderkulisse zur energetischen Sanierung ran.“
Deutschlands mitgliederstärkster Bauverband wirbt für den Grundsatz: Was gefordert wird, muss auch gefördert werden. Quast: „Staatliche Förderprogramme wie die Bundesförderung für effiziente Gebäude müssen angepasst an die gesetzlich geforderten Energieeffizienzstandards eine ausreichende finanzielle Förderung bieten. Zukünftig wird nicht ausreichen, dass der Bund nur fördert, was über den geforderten Standard hinausgeht.“ Dies gilt besonders im Hinblick auf den EH40-Standard. Bei der energetischen Gebäudesanierung muss an der Förderung von sowohl einer stufenweisen Sanierung durch Einzelmaßnahmen als auch einer Komplettsanierung nach einem Sanierungsfahrplan festgehalten werden.
Reformkommission „Nachhaltiges Bauen“ gefordert
„Vor uns liegen noch enorme Einsparpotenziale, die es zu heben gilt. Dafür sollte die neue Bundesregierung eine Reformkommission ‚Nachhaltiges Bauen‘ einrichten, in der sowohl die Bunderegierung als auch die gesamte Wertschöpfungskette der Bauwirtschaft und entsprechende Forschungseinrichtungen vertreten sind. Nur so kommen wir zu einer gemeinsamen Kraftanstrengung bei diesem Thema“, führt Quast weiter aus.
Themenschwerpunkte der Reformkommission „Nachhaltiges Bauen“ sollen dabei Digitalisierung, Produktionsprozesse von Baustoffen, Umweltdaten, Logistik, Bauweisen, Wiederverwendung und Recycling von Baumaterialien sowie nachhaltiges Bauen in Ausbildung und Studium darstellen.
Vergabeverfahren der öffentlichen Hand mittelstandsgerecht ausgestalten
Quast machte schließlich auf die drohende Gefahr aufmerksam, dass große Teile der Baubranche bei der Umsetzung öffentlicher Bauaufträge zukünftig nicht mehr zum Einsatz kommen könnten: „Wenn die öffentliche Hand ihre Vergabeverfahren nicht mittelstandsgerecht ausgestaltet, drohen Handwerksbetriebe und Mittelständler zunehmend außen vor zu bleiben. Wenn die Autonomie von Planen und Bauen nicht gestärkt wird, bleibt die Leistungsfähigkeit des Großteils der Baubranche zukünftig ungenutzt. Dies wäre nicht nur ein fatales Signal an die Bauunternehmen, sondern angesichts der umfassenden Bau-Aufgaben im Land geradezu volkswirtschaftlich schädlich.“
Der Verbandspräsident forderte die öffentliche Hand auf, sich wieder verstärkt ihrer Bauherrenkompetenz bewusst zu werden: „Es kann nicht sein, dass Bauverwaltungen nicht in der Lage sind, komplexe Bauvorhaben mittelstandsgerecht zu vergeben. Nur bei einer breiten Ausschreibung hat die gesamte Bauwirtschaft die Chance, ihr Know-How einzubringen und so für das bestmögliche Ergebnis für die öffentliche Hand zu sorgen. Das Potenzial aller Bauunternehmen im Land muss auch zukünftig genutzt werden.“
Anlage: Ergebnisse der ZDB-Herbstumfrage
Bewertung der Baukonjunktur