Konjunkturbericht
Baukonjunktur, erstes Halbjahr 2022
Das hohe Niveau der Einkaufspreise für Baumaterial erzeugt Druck auf die Baupreise. Das beginnt auf die Baunachfrage zurückzuschlagen. Die Baukonjunktur verliert an Fahrt.
Nach den Daten des Statistischen Bundesamtes für die Betriebe mit 20 und mehr Beschäftigten erreichten die Umsätze im Bauhauptgewerbe in ersten Halbjahr ein Volumen von ca. 46,5 Mrd. €, was einem nominalen Zuwachs von 12,6 % entspricht. Da die Preisentwicklung für Bauleistungen, bedingt durch die hohen Einstandspreise für Material, gegenüber dem Vorjahr um ca. 16 % gestiegen ist, bedeutete dies einen realen Rückgang um ca. 2,7 %. Dabei hat die Umsatzentwicklung im Jahresverlauf tendenziell nachgegeben. Während im ersten Quartal die Umsätze noch real um knapp 6 % gestiegen sind, verloren sie im zweiten Quartal um gut 8 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum.
Der Ordereingang im Bauhauptgewerbe belief sich im ersten Halbjahr 2022 auf ca. 51 Mrd. €. Dies entspricht einem nominalen Zuwachs um ca. 12 %, real bedeutet es einen Rückgang um 3 %. Während der Zuwachs im ersten Quartal noch bei real ca.+4 % lag, kam es im zweiten Quartal zu einem Rückgang um ca. 9 %. Die Nachfrage nach Bauleistungen hat sich im Jahresverlauf also erkennbar abgeschwächt.
Mit Blick auf die Order- und Umsatzentwicklung ist festzustellen, dass die Baukonjunktur insgesamt an Fahrt verloren hat. Der Mix aus steigenden Lebenshaltungskosten, Preissteigerungen und Lieferschwierigkeiten für Baumaterial, Zinserhöhungen und verschlechterten Fördermöglichkeiten würgt offensichtlich die Baukonjunktur zusehends ab.
Dies bestätigt auch das historisch hohe Niveau an Stornierungen von Bauaufträgen. (Diese sind bei den ausgewiesenen Ordern noch nicht einmal berücksichtigt.) Nach Daten des ifo-Institutes liegen die Stornierungsmeldungen im Wohnungsbau in den letzten Monaten bei 10 % bis 15 %, vor einem Jahr lagen sie bei 2 %. (Im Straßenbau liegen sie in den letzten Monaten in einem Bereich von 7 % bis 11 %.) Parallel dazu halten die Meldungen zu Lieferschwierigkeiten bei Material immer noch ein hohes Niveau, wenngleich sie im Trend etwas nachgegeben haben.
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes liegen die Einkaufspreise bei Baustoffen weiter auf historisch hohem Niveau. Unternehmer melden weiterhin bei der Materialbeschaffung einen hohen Aufwand. Eine Angebotssituation für Baustoffe wie sie bis 2019 bestand, ist für die nächsten Monate noch nicht zu erwarten. Vielmehr sprechen die hohen Rohöl-, Gas- und Energiepriese für weiteren Druck bei den Preisen für Baumaterial. Die Erfahrung der letzten Monate zeigt, dass auch Preise von Baustoffen, die nicht energielastig produziert/gewonnen werden, mit in den Sog von Erhöhungen gezogen werden.
Nach den Meldungen des Statistischen Bundesamtes zu den Erzeugerpreisindizes per Juli 2022 zeigt sich bei einzelnen Baumaterialien folgende Situation (siehe auch Anlage):
Metalle/Stahl
Schon im Vormonat hatten sich hier Beruhigungstendenzen bei der Preisentwicklung abgezeichnet, die sich fortsetzen: Baustahl hat zum Juni um 11 % nachgegeben, liegt aber immer noch um gut 23 % über Vorjahresniveau. Auch Aluminium (-0,5 %) und Kupfer (-11,6 %) geben jeweils zum Vormonat nach, bleiben aber auf hohem historischem Niveau: Aluminium zum Vorjahr +38 %, Kupfer +1 %.
Erdölbasierte Produkte
Kunststoffe halten etwa das Niveau aus dem Vormonat (Styrol-Dämmmaterial +1 %) oder geben leicht nach (Schäume -1 %; Rohre -3 %). Auch hier gilt ein weiter hohes Niveau von +10 % bis +30 % gegenüber dem schon hohen Vorjahresniveau.
Dieselkraftstoffe haben zum Vormonat etwas nachgegeben -4,5 %; zum Vorjahr liegt der Indes um 43 % höher.
Bitumen hat zum Vormonat ebenfalls nachgegeben (-7 %), Asphaltmischgut hält gut das Vormonatsniveau (+1,5 %). Der Index der Erzeugerpreise für beide Materialien liegt um 30 % bis 40 % über dem Vorjahresniveau.
Mineralische Baustoffe
Alle mineralischen Produkte ziehen quasi ihre Bahn des linearen Preisanstieges; von +1 % bei Kies bis +5 % bei Vliesen weiter. Zement und Ziegel haben ihren Sprung vom Vormonat nicht fortgesetzt und legen "nur" im Bereich von +1 % bis +2 % weiter zu.
Holz
Bei Bauholz scheinen die Extremsteigerungen zunächst vorbei. Bauholz gibt weiter ein Stück nach; zum Juni und zum Vorjahreswert jeweils um 4 % bis 5 %. Aber auch hier gilt ein historisch hohes Niveau
Entwicklung in den Bausparten
Wohnungsbau
Seit zwei Monaten zeigen sich Bremsspuren beim Genehmigungsverlangen für Neu- und Umbaumaßnahmen im Wohnungsbau; (Mai -2,5 %, Juni -4,5 % jeweils zum Vorjahr, bemessen in Baukosten). Im ersten Halbjahr 2022 wurden insgesamt Baugenehmigungen für fast 186.000 WE beantragt, das waren 4.000 WE weniger als vor einem Jahr. Das Minus resultiert im Wesentlichen aus dem Segment der Einfamilienhäuser. Hier schwächelt die Entwicklung schon seit dem ersten Quartal. Kumuliert wurden hierbei für 41.800 WE Genehmigungen erteilt, ca. 8.600 WE weniger als vor einem Jahr; (-17 %).
Demgegenüber zeigt sich der Mehrfamilienhausbau noch in stabiler Verfassung. Hier wurden für 100.000 WE Genehmigungen erteilt, ca. 7.200 mehr als vor einem Jahr; (+7,8 %). Aber auch hier hat die Dynamik der Nachfrage in den letzten beiden Monaten nachgelassen; (+0,4 % und +1,6 %).
Insgesamt scheint der Bereich der Eigenheimbauer schon stärker von realen Einkommensverlusten und der Preis- und Zinsentwicklung gezeichnet als der Bereich der Mehrfamilienhäuser. Institutionelle Anleger ziehen wahrscheinlich eher ihre Projekte durch, während Häuslebauer mit ihren Budgets zunehmend an Grenzen stoßen. Dabei schlägt auch die zurückgefahrene Förderung im Neubaubereich zu Buche.
Die Order haben im Wohnungsbau im ersten Halbjahr nominal um ca. 7 % zugelegt, real bedeutet das einen Rückgang um 7 %. Der Rückgang fällt damit im Vergleich zu den anderen Bausparten überproportional hoch aus. Die Stütze der Baukonjunktur der letzten Jahre- der Wohnungsbau- kann diese Funktion offensichtlich unter den gegenwärtigen Bedingungen nicht mehr halten.
Der Umsatz im Wohnungsbau erreichte in den Betrieben mit 20 und mehr Beschäftigten ca. 12,6 Mrd. €, eine nominale Steigerung zum Vorjahreszeitraum um 18,5 %, real noch ein Zuwachs um 2,6 %.
Wirtschaftsbau
Das Genehmigungsverlangen nach Wirtschaftsbauten war im ersten Halbjahr noch von Aufholprozessen nach der Corona-Pandemie gekennzeichnet. Bemessen nach Baukosten (nominal) liegen alle Gebäudetypen (bis auf Büros) im ersten Halbjahr 2022 noch im Bereich zweistelliger Zuwachsraten gegenüber dem Vorjahr.
Durchschlagend waren hier die Genehmigungen im ersten Quartal, wohingegen sich zuletzt Bremsspuren zeigen. So waren die Genehmigungen, bemessen nach Baukosten, im ersten Quartal in nahezu allen Gebäudetypen (Fabriken, Handel und Lager, Gastronomie) sehr dynamisch ausgebildet, wobei sich schon hier zeigte, dass die Bewertung nach Baukosten deutlich höher ausfiel als die nach umbauten Raum. (Auch hier schlägt sich die Preisentwicklung für Bauleistungen nieder.) Lediglich der Bereich der Büro- und Verwaltungsgebäude zeigte bereits seit Jahresbeginn eine nachlassende Nachfrage. Hier hatte es im Vorjahr einen beachtlichen Aufschwung gegeben. Dieser war vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie und ausgeweitetem Homeoffice so nicht erwartet worden.
Einzig der Bereich Lagergebäude zeigt sowohl unter der Bewertung nach Baukosten (+48 %) als nach umbauten Raum (+34,4 %) im gesamten Jahresverlauf eine ausgeprägt hohe Dynamik der Nachfrage zum Vorjahr. Einen Zuwachs nach umbauten Raum zeigen auch noch der Handel (+7,2 %) und die Gastronomie (+12 %) Bei Handel und Gastronomie dürfte es sich noch um Nachholprozesse aus der Corona-Pandemie handeln. Lager waren schon während der Corona-Pandemie gefragt. Jetzt bekommen sie neuen Schub wegen des Bestrebens nach Bevorratung infolge der Lieferkettenprobleme.
Die Order im Wirtschaftsbau erreichten 21,4 Mrd. €, ein nominaler Zuwachs zum Vorjahr um 14,2 %, der maßgeblich aus dem Wirtschaftstiefbau gestützt wird; nominal +21,5 %. Hierunter fallen die Investitionen der DB aber auch Infrastrukturprojekte an Flughäfen und der Energieversorgung. In allen genannten Bereichen gibt es derzeit hohen Investitionsbedarf. (Real dürften die Order insgesamt damit um gut 2 % unter dem Vorjahresniveau liegen. Der Wert wird vom Statistischen Bundesamt nicht ausgewiesen.)
Der Umsatz im Wirtschaftsbau erreichte in den Betrieben mit 20 und mehr Beschäftigten ca. 19,5 Mrd. €, eine nominale Steigerung zum Vorjahreszeitraum um 10,5 %. (Real dürfte der Umsatz im Wirtschaftsbau damit um ca. 6 % unter dem Vorjahresniveau liegen. Der Wert wird vom Statistischen Bundesamt nicht ausgewiesen.)
Öffentlicher Bau
Die öffentliche Hand hat im ersten Halbjahr Aufträge im Umfang von 17,4 Mrd. € erteilt, nominal ein Plus von knapp 13 %. (Real dürften die Order um gut 2 % unter dem Vorjahresniveau liegen. Der Wert wird vom Statistischen Bundesamt nicht ausgewiesen.)
Überproportional mit +17,5 % hat dazu der Hochbau beigetragen, der allerdings am Auftragsvolumen nur einen Anteil von knapp 20 % hat. Unter den Hochbau fallen öffentliche Gebäude wie Schulen und Kitas, die einen hohen Investitionsstau aufweisen, aber auch Verwaltungsgebäude. Für den Schulbau laufen nach wie vor Förderprogramme, die offensichtlich umgesetzt werden.
Im Bereich Tiefbau (Straßenbau und sonstiger Tiefbau) erreichten die Order nominal 14,3 Mrd. €, was einem Zuwachs um knapp 12 % entspricht.
Die Kommunen haben in ihrem aktuellen Bericht zur Finanzsituation darauf hingewiesen, dass die kommunalen Haushalte zwischen der Corona-Pandemie und dem Ukraine Krieg keine ausreichende Stabilisierung erreichen konnten. Angesichts steigender Belastungen im sozialen Bereich einerseits, steigenden Baupreisen andererseits, wird nun mit einem realen Rückgang der Bauinvestitionen gerechnet.
Im ersten Halbjahr legten die Umsätze mit der öffentlichen Hand um nominal ca. 11 % auf 14,5 Mrd. € zu. (Real dürften der Umsatz im öffentlichen Bau damit um ca. 3 % unter dem Vorjahresniveau liegen. Der Wert wird vom Statistischen Bundesamt nicht ausgewiesen.)
Beschäftigung
Trotz einknickender Nachfrage halten die Unternehmen am Fachkräfteaufbau fest. Zum ersten Halbjahr meldet das Statistische Bundesamt für die Betriebe mit 20 und mehr Beschäftigten ca. 524.000 Beschäftigte, ein weiterer Zuwachs um ca. 10.000 Beschäftigte.