Position des ZDB
Vergaberecht: Planen und Bauen in Deutschland - Nur gemeinsam mit dem Mittelstand!
Deutschland ist der größte Wirtschaftsstandort Europas und die zentrale Verkehrsdrehscheibe für den Kontinent. Damit das so bleibt, ist eine funktionierende Infrastruktur mit guten Straßen und Brücken dringend notwendig. Bei ihrer Suche nach Baufirmen, die öffentliche Infrastrukturprojekte bauen sollen, bevorteilt die öffentliche Hand aber große Bau-Konzerne. Der Mittelstand hat das Nachsehen. Hier ein Vorschlag, wie fairer, mittelstandsgerechter Wettbewerb wieder besser gelingt und so schneller und günstiger gebaut werden kann.
Wie der Staat bei seinen Bauprojekten den Mittelstand ausschließt. Und was man dagegen tun kann
Knapp 33.000 Schulen gibt es in Deutschland. 625.000 Kilometer Straßen. 33.600 Kilometer Schienen. Fast 40.000 Autobahnbrücken sowie unzählige Hochbauten von Bund, Ländern und Kommunen. Leider sind viele Bauwerke in Deutschland in einem schlechten Zustand. Allein 4000 Autobahnbrücken sollen laut Bundesverkehrsminister Volker Wissing bis 2030 modernisiert werden. Vielfach wurden Schäden in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten nur noch behoben, wenn bereits ein Totalausfall entstanden war oder unmittelbar drohte. Wartung und Reparaturen fanden kaum statt.
Die Folgen kennen wir alle: Gesperrte Brücken, immer mehr Stop-and-go, Umleitungen und Staus.
Und nun?
Will man die vielen Bauaufgaben bewältigen und gleichzeitig klimaneutral werden, müssen die tausenden mittleren Unternehmen in Deutschland mit einbezogen werden. Sage und schreibe 96 Prozent der Bauunternehmen in Deutschland haben weniger als 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das sind die Firmen, die der eine oder die andere unter dem Begriff Mittelstand kennt.
Der Mittelstand ist der Kern unserer Wirtschaft, ohne den in Deutschland gar nichts läuft.
Das Problem ist: Unser Mittelstand hat bei öffentlichen Aufträgen meist gar nicht erst die Möglichkeit, sich zu bewerben. Der Großteil der kleinen und mittelständischen Betriebe wird bei der Suche nach Baufirmen, um die ganzen Straßen und Brücken zu bauen, häufig außen vorgelassen.
Wer oder was ist eine funktionale Ausschreibung? Und warum benachteiligt das den Mittelstand?
Soll zum Beispiel eine Straße oder Brücke gebaut oder modernisiert werden, sucht der Auftraggeber – in diesem Fall der Staat – durch eine Ausschreibung ein Unternehmen, das die Straße oder Brücke bauen kann.
Dabei macht es sich die öffentliche Hand – also der Staat – aber nun häufig einfach und benutzt sogenannte funktionale Ausschreibungen. Klingt kompliziert, ist aber einfach: Da steht nur drin, was jemand bauen soll. Wie die Straße oder Brücke gebaut werden soll, sollen die Firmen vorab selbst planen.
Die ganze Vorarbeit überlässt die öffentliche Hand bei funktionalen Ausschreibungen also den Unternehmen, die die Straße oder Brücke für ihn planen und sich damit überhaupt erst um den Auftrag bewerben können.
Und hier ist das Problem.
Denn die meisten Firmen in Deutschland sind gar nicht dazu in der Lage, vorher auch noch die gesamte Planungsleistung zu übernehmen. Nur, um sich um einen Auftrag bewerben zu können und eventuell den Auftrag zu bekommen.
Man darf nicht vergessen: Der Staat hat eine Verantwortung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern, die die Infrastruktur ja auch bezahlen. Anstatt sich zurücklehnen und seine Bauherrenkompetenz an andere wenige Konzernen abzugeben, muss der Staat fairen Zugang zum Wettbewerb ermöglichen. Und sollten bei einem Projekt die Kapazitäten zum Planen nicht ausreichen, gibt es hierzulande mit Sicherheit genügend Architekten, Planer und Ingenieure.
Deshalb ist die sogenannte funktionale Ausschreibung ja eigentlich auch nur als Ausnahme erlaubt.
Baumängel, Mehrkosten, Konflikte: Warum dauert alles so lange?
Dabei ist wichtig zu wissen: Der Auftraggeber geht mit dieser Art von funktionalen Ausschreibung Risiken ein. Denn er muss sämtliche Leistungen und Ziele für ein Bauprojekt sehr früh festlegen. Da er zu diesem frühen Zeitpunkt noch gar nicht detailliert beschreiben kann, was genau und wie die Anforderungen seinen werden, können die offenen Fragen für Baumängel und Mehrkosten sorgen.
So kann es passieren, dass der Auftraggeber am Ende nicht die Qualität erhält, die er sich vorgestellt hat. Sobald er die Planungsverantwortung abgibt, werden Standard und Qualität maßgeblich vom Bieter entwickelt und vorgegeben. Und der Unternehmer, der sowohl planen als auch bauen soll, wird immer ein Interesse an einer möglichst kostengünstigen Lösung haben. Und sich daher eher nicht am erhofften hohen Qualitätsstandard des Auftraggebers orientieren.
Die Lösung: Mit Leistungsverzeichnis ausschreiben und Nebenangebote zulassen fördert den Mittelstand
Deutschland sollte seine Bauvorhaben immer mit einem Leistungsverzeichnis ausschreiben. Das bedeutet, die öffentliche Hand als Auftraggeber plant selbst und gibt damit vorab an, was wie gebaut werden soll. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass keine Betriebe ausgeschlossen werden und sich auch unsere mittelständischen Unternehmen bewerben können, um unsere Infrastruktur zu modernisieren.
Und ganz wichtig ist: Es sollten Nebenangebote zugelassen werden. Viele Mittelstandsbetriebe sind auf einzelne Bereiche besonders spezialisiert und können durch ein Nebenangebot, exzellente technische, wirtschaftliche oder rechtliche Alternative für ein Bauprojekt anbieten. Das ist gut für unseren heimischen Mittelstand. Und gleichzeitig spart der Staat viel Geld, weil das wirtschaftlichste Angebot gewinnt.
Auf diese Weise könnten wir häufig schneller und günstiger bauen in Deutschland. Und das ist doch am Ende das Wichtigste, oder?